Arbeit 190 Weiss war einmal

Nr. 190 / Weiß war einmal / 65×50 cm / 2025 / Acryl und Ölpastell auf Leinwand. #Freistellerei

Du stehst vor meiner Arbeit mit dem Titel „Weiß war einmal“ – und vielleicht fragst du dich, was genau du hier eigentlich siehst. Lass mich dir eine Perspektive anbieten, die dir den Zugang erleichtert: Du blickst auf einen Eisbären. Oder das, was von ihm übrig bleibt. Eingefasst in eine klare, fast comicartige schwarze Linie, steht die Figur wie eine Kontur gegen eine bröckelnde Welt. Das Weiß des Eises, das er einst bewohnte, ist kaum noch da. Nur angedeutet im Hintergrund – schlierig, aufgelöst, beinahe vergessen.

Der Bär selbst? Grün. Durchzogen von aggressiven, chaotischen Pinselzügen in Orange. Diese Farben sind nicht zufällig gewählt. Sie sind mein innerer Zustand, meine Antwort auf das, was ich sehe und fühle. Das Grün steht für Natur, Leben, Hoffnung – und doch wirkt es in dieser Arbeit beinahe künstlich grell. Die orangen Spuren schneiden sich da hindurch, wie offene Wunden. Sie sind meine Wut, meine Verzweiflung. Zerfurcht ist nicht nur die Farbe – zerfurcht bin auch ich. Und vielleicht auch du, wenn du dir erlaubst, ehrlich hinzusehen.

Der Eisbär – eigentlich ein Symbol für Kälte, Stärke, Wildnis – verliert in dieser Arbeit seine Heimat. Aus seinem Inneren tropfen Tränen. Die Tränen sind Formen, die du als Wasser oder als Verlust lesen kannst. Ich habe sie absichtlich nicht realistisch, sondern stilisiert dargestellt. Ihre klare Form kontrastiert die expressive Struktur im Inneren des Bären. Es ist diese Spannung, in der wir alle leben: zwischen der Sehnsucht nach Klarheit und der Realität des Chaos.

„Weiß war einmal“ ist eine Arbeit über den Zustand unserer Natur im Aussterbemodus. Es ist keine bequeme Arbeit. Sie ist keine Einladung zum Verweilen. Sie ist ein Aufschrei.

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